Darum begrüßt Bremerhaven das Jahr 2026 mit Kanonendonner

Hans-Georg Ennen betreibt ein seltenes Hobby: Er ist Kanonier. Zum „Prosit Neujahr“ feuert er im Schaufenster Fischereihafen Salut. Foto: Helmut Gross_Erlebnis Bremerhaven

Es ist ein Moment, der die Gespräche verstummen lässt. Ein kurzer Augenblick, dann rollt ein dumpfer Donner übers Wasser. Wer am Sonntag, 4. Januar, im Schaufenster Fischereihafen steht, wird ihn nicht vergessen. Denn dort beginnt das neue Jahr in Bremerhaven mit einer Tradition, die so gut zu einer Hafenstadt passt wie kaum eine zweite – und trotzdem immer mehr in Vergessenheit gerät. Das Schaufenster Fischereihafen begrüßt das Jahr 2026 mit dreifachem Salut.



Mit der Veranstaltung „Prosit Neujahr“ laden die Erlebnis Bremerhaven GmbH und die Werbegemeinschaft Schaufenster Fischereihafen bereits seit dem Jahr 2000 zu einem außergewöhnlichen Neujahrsauftakt ein. Berliner, Sekt und natürlich gute Wünsche gehören dazu. Und die Leher Salutbatterie – ein Zusammenschluss von sieben Männern, die Kanonen nach historischem Vorbild betreiben. Einer von ihnen ist Hans-Georg Ennen. Seit mehr als 40 Jahren widmet er sich einer Leidenschaft, die Geduld, großes Fachwissen und eine besondere Liebe zur Geschichte erfordert. „Man kann eine Kanone nicht einfach aus dem Schuppen holen und loslegen“, sagt Ennen. „Jeder Schuss ist das Ergebnis von Vorbereitung, Verantwortung und Respekt vor dem Handwerk.“

Salutschüsse heißen: Wir kommen in friedlicher Absicht

Der Brauch, das neue Jahr mit Kanonenschüssen zu begrüßen, hat tiefe historische Wurzeln. Laute Geräusche galten über Jahrhunderte hinweg als Schutz vor bösen Geistern und Unglück. Gleichzeitig spielten militärische und maritime Traditionen eine Rolle. Schiffe und Festungen gaben Salutschüsse ab, um hohen Gästen Respekt zu erweisen oder zu signalisieren: Wir kommen in friedlicher Absicht. In Hafenstädten markierten Kanonenschüsse auch wichtige Zeitpunkte, Machtwechsel oder Feiertage. Heute ist der Salut ein akustisches festliches Ehrenzeichen und streng reglementiert.

„Genau diese Verbindung aus Geschichte, Hafen, Tradition und Gemeinschaft macht unsere Veranstaltung besonders“, sagt Chiara Rogge, Veranstaltungsmanagerin der Erlebnis Bremerhaven für das Schaufenster Fischereihafen. „Unser Neujahrsauftakt passt zu Bremerhaven. Und dass wir dabei eine selten gewordene, aber und eindrucksvolle Tradition zeigen können, freut uns.“

Kanone aus hochfester Bronze

Die kleine Kanone von Hans-Georg Ennen, Kaliber 54 Millimeter und in einem Stück aus hochfester Bronze gegossen, ist eine Nachbildung aus dem 18. Jahrhundert. Allein das Rohr wiegt rund 75 Kilogramm und hat etwa 8.000 Euro gekostet. Die Kanone liegt auf einer Lafette nach preußischem Vorbild, mit Feldgeschützen wie diesen zogen Soldaten einst in den Krieg. Problemlos vier Kilometer weit fliegen würde eine Kanonenkugel, meint Ennen.

Heute dient das Geschütz ausschließlich repräsentativen Zwecken. Die Kanonen der Leher Salutbatterie wurden bei Besuchen von Kreuzfahrt- und großen Segelschiffen abgefeuert, bei den maritimen Tagen und sogar vom damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zur Sail 2015 persönlich. „Wenn man sieht, wie interessiert die Menschen reagieren, weiß man, warum man sich diese Mühe macht“, sagt Ennen. „Nur sechs, sieben Mal im Jahr kommt die Kanone zum Einsatz“, sagt er. „Und jedes Mal ist der Aufwand enorm.“

Strenge Regeln für den Umgang mit Sprengstoff

Das Geschütz muss regelmäßig beim Beschussamt vorgestellt werden. Dort wird die Sicherheit geprüft und mit Überdruck geschossen. Ist alles in Ordnung, schlägt der Prüfer sein Wappen in die Bronze. Und wer mit Schwarzpulver arbeitet, benötigt einen Sprengstofferlaubnisschein, muss einen Lehrgang besuchen und ein entsprechendes Zeugnis ausgestellt bekommen. „Ansonsten ist der Umgang mit Sprengstoffen in Deutschland streng verboten“, betont Ennen, der früher die Waffenkammer der Polizei in Bremerhaven geleitet hat.

Für jeden Schuss wird das Rohr mit einem Ladelöffel mit 125 Gramm Schwarzpulver gefüllt, anschließend mit dem Ladestock verdichtet. Rund zwei Minuten dauert allein das Nachladen. „Es qualmt ordentlich“, sagt Ennen schmunzelnd. „Viele sagen, es stinkt. Ich finde, es riecht wunderbar.“

Für die einen ist der Kanonendonner nur laut, für die anderen ist es Musik in den Ohren. Und genau dazwischen liegt diese besondere Spannung, wenn sich alle Blicke auf die Kanonen richten. Beim „Prosit Neujahr“ im Schaufenster Fischereihafen werden drei Kanonen eingesetzt. Sie geben nacheinander jeweils zwei Schüsse ab, den letzten dann gemeinsam. Insgesamt begrüßen neun Salutschüsse das neue Jahr 2026.



„Prosit Neujahr“ – eine Bremerhavener Tradition für sich



Seit inzwischen 26 Jahren wird im Schaufenster Fischereihafen, einem der attraktivsten maritimen Ausflugsorte an der Nordseeküste rund um Fisch und Genuss, immer am ersten Januar-Wochenende das neue Jahr begrüßt. Um 11 Uhr beginnt der öffentliche Empfang auf dem Marktplatz am Hafen. Dann werden Berliner verteilt, Sekt ausgeschenkt und gute Wünsche ausgetauscht. Passend zum Jahr 2026 gibt es 2026 Berliner und ebenso viele Gläser Sekt. Jedes Jahr wächst die Zahl um eins, eine kleine Tradition für sich.

Der Höhepunkt folgt um 12 Uhr, wenn die Kanoniere der Leher Salutbatterie ihren dreifachen Neujahrssalut abfeuern. Danach werden die Heiligen Drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar mit ihren Sternsingern erwartet. Die Restaurants im Schaufenster Fischereihafen öffnen ab 11 Uhr und laden zum Verweilen ein. Parallel findet im Gewerbegebiet Bohmsiel Bremerhavens erster verkaufsoffener Sonntag des Jahres statt. Von 13 bis 18 Uhr dürfen die Geschäfte zum Neujahrs-Shoppen öffnen.