Elvis lebt – in Bremerhaven. Jedes Jahr am 1. Oktober pilgern die Fans von Rock‘n‘Roll-Legende Elvis Presley aus ganz Deutschland zum Kreuzfahrtterminal der Stadt, um die Ankunft des „King“ zu feiern.
Der Soldat mit der Kennung US 53 310 761 hat seinen Seesack geschultert, als er die Gangway des Truppentransporters „General George M. Randall“ heruntergeht und deutschen Boden betritt. US-Militärpolizei muss kreischende Jugendliche zurückdrängen, ein junger Mann mit schmalziger Tolle klammert sich in der Hoffnung an die Gangway, ein Autogramm zu bekommen. Elvis Presley geht hier an Land, um seinen Militärdienst anzutreten – und Deutschland steht Kopf. An jenen historischen Moment in der bald 200-jährigen Geschichte der Stadt Bremerhaven erinnert auf der Kaje noch heute eine Bronzetafel – genau am Kajenmeter 700 der Columbuskaje, an dem die Gangway am 1. Oktober 1958 lag.

Dass der „King of Rock ´n‘ Roll“ den deutschen Boden erstmals in Bremerhaven betritt, ist kein Zufall. Die US Army brauchte direkt nach dem Zweiten Weltkrieg dringend einen zentralen Hafen, über den alle Militärtransporte nach Deutschland und in Teile Europas laufen sollten. Bremerhaven wird zum unverzichtbaren Dreh- und Angelpunkt all dieser Transporte, zum „Port of Embarkation“. Bereits gut zehn Jahre vor Elvis Presley kam eine noch viel wertvollere Fracht ebenfalls hier an: Die streng geheime Operation „Bird Dog“ hatte zum Inhalt, 23.000 Holzkisten von New York nach Bremerhaven zu transportieren. 5,7 Milliarden D-Mark, frisch gedruckt in den USA als Startkapital für das deutsche Wirtschaftswunder.
US Army stationiert 4000 Soldaten in Bremerhaven
In Bremerhaven entsteht eine Garnison der US Army, die erst nach 45 Jahren aufgelöst wird. Bis 1991 sind rund 4000 Soldaten mit ihren Familien hier stationiert und geben der Seestadt durch ihren Lebensstil den typischen US-Flair. Heute leben noch weniger als 100 US-Amerikaner in Bremerhaven. Mit der 950th Transportation Company arbeitet aber immer noch eine Einheit im ehemaligen „Port of Embarkation“.
Die Columbuskaje ist seit ihrem Bau im Jahr 1927 ein Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschichte, der mit der Ankunft von Elvis Presley einen weiteren Höhepunkt erlebt. Das „Haus der Geschichte“ in Bonn urteilt gar, dass jener 1. Oktober 1958 einen Einschnitt in die Geschichte der noch jungen Bundesrepublik markiert. Der „King of Rock ‘n‘ Roll“ ist zu der Zeit der bedeutendste Botschafter der Vereinigten Staaten. Mit seiner Musik beschreibt er das Lebensgefühl der jungen Generation, für die es auch um ein gutes Stück Provokation und Abgrenzung von der älteren Generation geht. Elvis‘ Hüftschwung versetzt Deutschland in Aufregung, seine sexuellen Anspielungen kommen einer Befreiung aus der Prüderie der Nachkriegsjahre gleich.
Es fehlten Sekunden für das Autogramm
Als Presley von Bord geht, steht hinter ihm gut gelaunt beinahe die komplette Schiffsbesatzung an Deck, vor ihm drängt sich ein Pulk von Reportern und Fotografen, dahinter die kreischende Mange der Fans. In diesem Durcheinander schafft es ein junger Bursche, sich an der Militärpolizei vorbei zu mogeln. Helge Rothenberg kennt sich aus im Hafen, beliefert als Lehrling eines Bremerhavener Haushaltswarengeschäfts viele Schiffe mit Töpfen und Pfannen und kennt so manchen Schleichweg ans Wasser. Er „entert“ die Seitenwand der Gangway, bittet Presley mit Stift und Zettel in der Hand um ein Autogramm – doch „die Polizei hat mich von der Gangway gezogen“, erinnert sich heute Rothenberg (83). Dabei hatte Elvis schon den Stift für die begehrte Unterschrift in der Hand. „Es fehlten Sekunden fürs Autogramm.“ Dabei tauchen noch heute immer wieder mal Autogramme von Elvis Presley auf, von denen es heißt, es sei das von der Ankunft des Schiffes. „Es gab gar keines“, sagt Rothenberg.
Das Schwarz-Weiß-Foto von dem wagemutigen blonden Jungen aber geht um die Welt und Rothenberg wird auch 67 Jahre nach der Ankunft der „General George M. Randall“ wieder auf der Kaje stehen – so wie seit Jahren schon am 1. Oktober, wenn der Ankunft des „King“ an der Bremerhavener Columbuskaje gedacht wird. Barbara und Ulli Elter organisieren seit 2015 das alljährliche Treffen der Elvis-Fans und sind froh, dass die Bronzeplakette auch nach einer Erweiterung der Kaje um 20 Meter in Richtung Weser immer noch die ursprüngliche Stelle der Ankunft in Bremerhaven markiert. „Es war uns wichtig, dass die Tafel nach der Sanierung der Kaje genau dort wieder eingesetzt wird“, betont Robert Howe, Geschäftsführerder Hafengesellschaft Bremenports. „Auch weil wir wissen, wie viele Fans Elvis heute noch hat, stand alles andere gar nicht zur Debatte: Wir wollten die Erinnerung an diesen historischen Moment auf jeden Fall erhalten.“

Foto: Brockmann_Erlebnis Bremerhaven
Gefeiert wird in der „letzten Kneipe vor New York“
So wird am Mittwoch, 1. Oktober, nach der amerikanischen Nationalhymne wieder der Elvis-Hit „Jailhouse Rock“ aus der Lautsprecheranlage des Kreuzfahrtterminals dröhnen, die bundesweite Fangruppe auf der Kaje dem King of Rock´n Roll gedenken und Helge Rothenberg sich an den Moment erinnern, als er um ein Haar das Autogramm bekommen hätte. Dass weitere Elvis-Songs von einem Live-Sänger anschließend in der benachbarten Hafenkneipe zu hören sind, passt zur bewegten Geschichte der Columbuskaje – und steht mit dem Gaststätten-Namen für die tief verwurzelte Verbindung in die USA: „Die Letzte Kneipe vor New York“.
Elvis hat noch immer 50 Millionen Fans

„Wir sind froh und stolz, dass wir dieses besondere Jubiläum auch 2025 wieder am Bremerhaven Kreuzfahrtterminal feiern können. Dieses Jahr am 8. Januar wäre Elvis Presley 90 Jahre alt geworden“, sagen Barbara und Ulli Elter. Deshalb wird es größer als sonst gefeiert – mit Musik und Blumen und vielen Geschichten aus der Ära. Elvis-Fans von München bis Berlin werden erwartet, um Punkt 9.22 Uhr kommen sie an der Gedenkplakette auf der Kaje zusammen. Weltweit wird die Zahl der bekennenden Elvis-Fans noch immer auf 50 Millionen Menschen gezählt.
