Bremerhavener Forscher siedeln ausgerottete Muscheln wieder an

Sie war eine wichtige ökologische Basis in der Nordsee und gilt seit gut 100 Jahren als ausgerottet: die Europäische Auster. Das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) setzt sich für die Wiederansiedlung der Muschel ein. Im Rahmen eines aufwendigen Projektes werden rund drei Millionen Austern in der Deutschen Bucht ausgewildert.

Austernbänke an der deutschen Nordseeküste – bis in die 1920er-Jahre hinein war das durch die Europäische Auster selbstverständlich. Dann brachen die Bestände durch die Überfischung zusammen. Die Austernbänke waren größtenteils zerstört und damit auch eine Lebensgrundlage der Fischer und der Natur. 

„Durch ihren Aufbau haben die Austern große Riffe gebildet. Auf alten, abgestorbenen Austern siedeln sich neue Muscheln an. Das ergibt dann über die Jahre ein besonderes Biotop, in dem sich viele Tier- und Pflanzenarten ansiedeln“, erklärt Dr. Bernadette Pogoda, Meeresbiologin am AWI. Sie kümmert sich um die Wiederansiedlung der Europäischen Auster in der Nordsee. 

Ein Test – 200.000 Austern werden ausgesetzt

Das Projektgebiet liegt gut 20 Kilometer westlich der Insel Borkum im Meeresschutzgebiet „Borkum Riffgrund“. Zunächst wurden hier als Test rund 200.000 junge Austern ausgesetzt, um zu sehen, wie die Tiere reagieren und ob eine Wiederansiedlung möglich ist. Mit Steinschüttgut wurden dafür im Jahr 2020 zwei künstliche Riffe aufgebaut. „Diese Riffe sind gut 70 Zentimeter hoch und liegen in rund 25 Meter Wassertiefe“, erklärt Bernadette Pogoda. „Da es ja keine alten Austernriffe mehr gibt, mussten wir einen Untergrund schaffen, auf dem die Tiere sich verankern können.“

Durch Wasserproben hat das AWI geprüft, ob die Austern sich vermehren und Larven im Meer rund um das Testgebiet zu finden sind – mit Erfolg. Nun ist das Projekt in der nächsten Phase. Insgesamt drei Millionen junge Austern werden bis Ende 2025 von den Bremerhavener Forschern am Borkum Riffgrund ausgesetzt. Die Tiere stammen aus einem niederländischen Zuchtbetrieb. Finanziert und unterstützt wird das Gesamt-Projekt „Europäische Auster“ vom Bundesamt für Naturschutz. Der Aufbau einer eigenen Austernzuchtanlage auf Helgoland, der Riffaufbau, das Auswildern der Austern und die Forschung kosten rund acht Millionen Euro.

Eine Kinderstube für viele Fischarten

„Wir freuen uns sehr, dass die erste Austern-Ansiedlung erfolgreich war. Wir haben damit eine echte Chance, in der Deutschen Bucht wieder Riffe mit Europäischen Austern aufzubauen“, betont Bernadette Pogoda. „Die Muschelriffe sind Kinderstube für viele Fischarten und damit auch ein Jagdgebiet für Räuber. Außerdem siedeln sich hier Pflanzen wie Seeanemonen an“. Für die weitere Auswilderung der Europäischen Auster sollen zusätzliche Stein-Riffe aufgeschüttet werden. 

Bis in der Deutschen Bucht wieder Riffe auf natürlichem Wege durch die Europäische Auster entstehen, dauert es noch einige Jahre. Trotzdem ist die hier ausgestorbene Muschelart aber schon zu sehen. Der Bremerhavener Zoo am Meer hat zusammen mit dem AWI ein Aquariumbecken mit der Auster besetzt, um auch hier das Wachstum der Art zu beobachten.

Im Zoo-Aquarium blüht bereits eine Anemone

„Korallenriffe kennt jeder, aber dass es vor nur 100 Jahren hier in der Nordsee direkt vor der Haustür auch Riffe gegeben hat – das wissen die Wenigsten“, sagt die Direktorin des Zoos, Dr. Heike Kück. Zusammen mit den Muscheln, Plattfischen und anderen Lebewesen hat sich seit Projektbeginn 2020, wie ein kleines Unterwasserparadies, schon ein vielfältiges Biotop im Nordsee-Aquarium gebildet. Der beste Beweis: Zwischen den Austern wächst eine Seeanemone. Heike Kück: „So wie dieses Mini-Riff hier aussieht, haben früher auch die Austern-Riffe in der Nordsee ausgesehen.“

„Bühne frei“ für Fisch und Meeresfrüchte ist auch das Motto der 35. Fischparty, die in Bremerhaven bis zum Sonntag gefeiert wird. 50.000 Besucher werden dazu im Schaufenster Fischereihafen erwartet. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen die Vielfalt, Qualität und Nachhaltigkeit sowie natürlich der Genuss von frischem Fisch. Vorträge von Wissenschaftlern und Forschern der Thünen-Institute und des Alfred-Wegener-Instituts widmen sich Themen wie nachhaltiger Fischerei, Zertifizierungen durch MSC und ASC sowie der Frage, wie Fischkonsum umweltbewusst gestaltet werden kann.

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